Iris ter Schiphorst: CD Booklett zur Dokumentaroper von Helmut Oehring
(WittenerTage für Neue Kammermusik 1997, herausgegeben vom DeutschenMusikrat – Edition Zeitgenössische Musik, WERGO WER 6534-2)

Ausschnitt aus dem Booklett:
“Meine Musiken kreisen um das Problem, dass Leute überhaupt Sprache und damit Beziehungen haben. Und sie ist Redaktion auf einen Mangel, Ersatz für Vermisstes, Ausfüllen einer Leere, Fixieren einer Losheit.”
Helmut Oehring, Sohn gehörloser Eltern und als Musiker und Komponist in jeder Hinsicht Autodidakt: mit 15 auf der Gitarre begonnen, mit 17 Ausbildung zum Baufacharbeiter, danach Hausmeister, NVA-Dienstverweigerer, Küster, Friedhofsgärtner, Waldarbeiter, Heizer …, mit 25 Noten gelernt, mit 29 Meisterschüler bei Georg Katzer an der Akademie der Künste zu Berlin, im gleichen Jahr den bedeutendsten Komponistenpreis der ehemaligen DDR (Hanns Eisler) für “Koma”, ein Jahr später für das erste Orchesterstück den WDR-Preis, für die 3. Kammeroper den internationalen Orpheus-Preis …
“Eigentlich hat alles damit begonnen, dass ich angefangen habe, Musik aufzuschreiben … Plötzlich war da eine Möglichkeit … Das hat damit zu tun, dass es für Gebärdensprache keine Schrift gibt.”
Die “Dokumentaroper” entstand 1994, Anfang 1995 im Auftrag der Wittener Tage für neue Kammermusik und gehört zum Zyklus (aus: Irrenoffensive), der sämtliche Arbeiten mit Gehörlosen umfasst. Sie ist ein Dokument über das Scheitern von Sprache. Über die Grenzen von Kommunikation. Über die (Un-)Möglichkeit von Schrift. Und Musik.
Verstehen Sie? Die Körper, die nicht hören können. Verstehen Sie? Die Körper, die nicht sehen können.
Wo ist die Ohrenklinik? Wo ist die Augenklinik?
Ein Libretto existiert nicht, weder formal, noch inhaltlich. Es gibt keine Rollen, keine Dialoge, weder einen imaginären Schauplatz noch irgendwelche Handlungen.
Alles ist Szene. Aber die Szene ist nicht alles.
Wenn ich etwas dokumentiere, steht es für nichts. Nur für sich selbst.
In diesem Falle irrt Oehring. Oder ich.
(Iris ter Schiphorst)
Inhalt:
Dokumentaroper. Bitte sagen Sie mir Ihren Namen noch einmal, ich habe ihn bei der Vorstellung nicht deutlich verstanden (aus: “Irrenoffensive”)

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